Leseprobe "Shakespeare Sechsundsechzig"
Wolf Biermann
Müd müd von all dem schrei ich nach dem Schlaf im Tod
Weil ich ja seh: Verdienst geht betteln hier im Staat
Seh Nichtigkeit getrimmt auf Frohsinn in der Not
Und reinster Glaube landet elend im Verrat
Und Ehre ist ein goldnes Wort, das nichts mehr gilt
Und einer Jungfrau Tugend wird verkauft wie'n Schwein
Und weil Vollkommenheit man einen Krüppel schilt
Und weil die Kraft dahinkriecht auf dem Humpelbein
Gelehrte Narrn bestimmen, was als Weisheit gilt
Und Kunst seh ich geknebelt von der Obrigkeit
Und simple Wahrheit, die man simpel Einfalt schilt
Und Güte, die in Ketten unterm Stiefel schreit
Von all dem müde, wär ich lieber tot, ließ ich
In dieser Welt dabei mein Liebchen nicht im Stich.
Schallplatte Gut Kirschen essen", 1990, EMI-Electrola
(beim Druck
des Textes auf der Plattenhülle wurde aus Versehen die 7. Zeile weg-
gelassen). Druckvorlage für dieses Buch: Manuskript Wolf Biermanns
von Anfang 1989. Siehe dazu Hauptteil S. 30, 70, 74, 89, 99.
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